Freitag, 30. Mai 2008

Abschied

Nun bin ich also wieder in Frankfurt. Ging schnell rum. Wer hätte das gedacht? Damit ist auch der Blog am Ende. Mal schauen, vielleicht schreib ich ja auf englisch weiter.

Die letzten Tage waren reichlich stressig. Es hieß Abschied nehmen von all den Freunden. Diverse Parties zu diesem Zweck. Dann natürlich administrativer Krempel, Konto schließen, Leistungsspiegel abholen und so weiter.

Ein Abschied war jedenfalls sehr entspannend, bestand nämlich aus einem Besuch im Marimekko-Laden, um ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter zu finden. Fand ich auch. Einen rosa Regenschirm mit Blumenmuster. Sie hat sich sehr gefreut. Und weil's so schön war, kaufte ich für mich noch eine Umhängetasche mit perfekten Proportionen für einen Laptop. Gefiel mir einfach zu gut. Alle anderen laptopfähigen Taschen erscheinen mir stets furchtbar hässlich, und so wollte ich die Gelegenheit nicht auslassen, etwas Vorzeigbares zu erwerben. Wer hat schon eine Laptoptasche von Marimekko? Anschließend setzten wir uns noch ins Café Fazer (das traditionsreichste Wiener Kaffeehaus der Stadt) und plauderten ein wenig. Der einzige Abschied ohne Alkohol, glaub ich.

Nun sitze ich zu Hause und habe hier auch nicht wirklich weniger zu tun. Aber immerhin ohne Fristen. Ende Juni fahr ich nochmal nach Tallinn, nehme an den europäischen Debattiermeisterschaften teil. Wird lustig.

Als allerletztes nun auch der Abschied vom Blog. Ich seh euch in der Realität!

Mittwoch, 28. Mai 2008

Wahlen französisch

Wie ich mich so in Cergy bei Paris befand, wählten die ESSEC-Studenten ein neues „Bureau des Elèves“ (kurz: BDE) gewählt. Das ist so ähnlich wie bei uns der AStA, hat seine Hauptaufgabe allerdings in der Organisation von Parties. Mindestens mal eine pro Woche. Und einmal im Jahr eine, die den gesamten Campus füllt. Alle Hörsäle, Seminarräume, Gänge...

Soviel zu den französischen Grandes Ecoles. Aus denen rekrutiert sich ja immerhin die große Mehrheit der CEOs französischer Unternehmen. Man packt die klügsten Leute des Landes nach einem knallharten Auswahlverfahren an einem Ort zusammen, um sie zur künftigen Wirtschaftselite auszubilden. Dies erreicht man am besten, indem man sie reichlich mit Alkohol begießt und gut mit Tabakqualm räuchert. Schlaf ist natürlich obsolet. Ob sie nach dieser Behandlung noch immer die klügsten Leute des Landes sind, sei dahingestellt. Da frag sich nochmal einer, warum es der Wirtschaft in Frankreich nicht so gut geht.

Zurück zu den Wahlen: Es traten eine Menge Listen an, darunter mein Favorit, die „Frauen mit großen Brüsten“ (freie Übersetzung des Listennamens). Damit wäre auch schon ihr Wahlprogramm erläutert. Es gab allerdings auch zwei ernst gemeinte Listen, die antraten. Der besseren davon half ich beim Wahlkampf. Natürlich gewann sie haushoch (über 60%). War ja klar, wenn ich mithelfe.

Und wie sieht so ein Wahlkampf an einer Grande Ecole aus? Er orientiert sich am Aufgabenbereich des BDE. In der Woche vor den Wahlen werden 'ne Menge Parties organisiert, mit unbegrenzt Getränken für lau. Jede (ernsthafte) Liste hat ihre eigene Bühnenshow, ihre eigene Choreographie zu ihrem eigenen Song, ihre eigene (wieder kostenlose) Bar in der Sporthalle und ihr eigenes Thema inklusive Kleidung. Die Themen waren diesmal „Baustelle“ versus „Mittelalter“. War ein großer Spaß, da mitzumischen, Arbeit würde ich das kaum nennen. Und eine Menge Stress, aber in den letzten Jahren habe ich ja eh eine gewisse Sucht nach Stress entwickelt.

Bei der Rückkehr nach Helsinki kam mir die Stadt dann ziemlich leer und leblos vor. Schon ein harter Kontrast. Zu allem Überfluss hat es Sonera auch wieder mal geschafft, die Internetverbindung zu kappen. In diesem Land läuft alles glatt, nur die privatisierte Telekomgesellschaft kriegt rein gar nichts auf die Reihe. Es ist so erbärmlich. Mal gucken, wann ich diesen Text überhaupt mal ins Blog setzen kann.

Weiterhin fällt mir beim Lesen meiner eigenen Worte auf, dass ich im Deutschen zunehmend ins Englische abdrifte, mit Anglizismen und so. Ich bin die Sprache einfach nicht mehr gewohnt. Ich fürchte schon, bei meiner Rückkehr Probleme damit zu kriegen. Am Ende hält man mich noch für einen MCSler von sonstwo.

Dienstag, 20. Mai 2008

La Banlieue

Es hat mich wieder einmal nach Paris verschlagen. Die Stadt ist noch immer wundervoll, ich war im Louvre und so weiter. Fotos zu machen, hab ich noch nicht geschafft. Mal gucken, ich hab irgendwie keine große Lust, zu knipsen. Ich will diesmal sowieso was anderes erzählen als die ewigen Huldigungen auf die Kultur und Schönheit von Paris zu wiederholen.

Diesmal bin ich nämlich bis nach Cergy vorgedrungen, eine Vorstadt, da, wo sie immer Autos umwerfen und anzünden. (Ihr erinnert euch: Paris IV war im Zentrum.) Eine Stunde Zugfahrt. Jedenfalls sieht es in Cergy ziemlich hübsch aus. Wohnen möchte ich da nicht, aber hauptsächlich, weil so überhaupt nichts los ist. Wirkt alles furchtbar harmlos, ereignisloser als eine deutsche Kleinstadt.

Ich wurde allerdings gewarnt, dass hier nicht alles so knuffig sei. Kriminalität und Gewalt soll es wohl schon ganz gut geben. Obgleich Gebäude und Straßen in gutem Zustand, ganz hübsch und sauber sind. Mühe hat man sich gegeben, das wohnlich einzurichten. Randaliert wird wohl trotzdem. Wenigstens kann die physische Umgebung nicht als Entschuldigung herhalten.

Ein Zeichen dafür, wie es hier zugehen kann, ist die ESSEC. Das ist eine Grande Ecole für künftige Manager in der Wirtschaft. Eines dieser Elitedinger, wie die Franzosen sie wohl lieben. Will man in das Grande-Ecole-Programm, muss man nach dem Abitur erstmal zwei Jahre lang eine vorbereitende Schule besuchen. Hat man die hinter sich, macht man ein bockeschweres Aufnahmeexamen, in zwei Fremdsprachen, Mathematik, Geschichte, Philosophie... Erst wenn man das bestanden hat, ist man elitär und darf dort studieren. Das dauert dann nochmal drei Jahre plus 18 Monate Praktika. Danach gehört man endgültig zur Wirtschaftselite Frankreichs.

Irgendwie ist mir dieses Bildungsmodell ungeheuer. Was ich höre, lässt einem die vorbereitende Schule während der zwei Jahre null Freiheit. Hobbys, Sport und sowas kann man vergessen. Danach zahlt man gutes Geld an ESSEC, um studieren zu dürfen (an anderen Grandes Ecoles gibt es allerdings nicht immer Gebühren), und wenn man einen PhD will, muss man nochmal gut was übern Tresen schieben. Wenigstens hat man dann wieder ein wenig Zeit neben dem Studium, muss das dafür in einer tristen Banlieue absolvieren. Die Führungsriege des Landes in Verwaltung und Wirtschaft rekrutiert sich dann fast ausschließlich aus den ganzen Elitehochschulen.

Ich vermute, mein Aufwachsen in Deutschland hat mir einfach ein gehöriges Misstrauen in Eliten eingeimpft, und so beäuge ich das hiesige System äußerst misstrauisch. Wobei ich dieses Misstrauen alles andere als schlecht finde.

Jedenfalls sitzt ESSEC in Cergy. Der Campus ist ziemlich hübsch und modern. Platz gibt es genug, und Angst vor irgendwas braucht man nicht zu haben. Höchstens vor grantigen Hochschullehrern, aber die muss man in jedem Land fürchten. Angstfrei ist es, weil der gesamte (recht große) Campus hermetisch abgeriegelt ist. Wie in Cork (siehe letztes Jahr), aber mit Sicherheitskräften. Weil das hier eben immer noch die Banlieue ist und nicht grade sicher. Jetzt hab ich wenigstens eine Gemeinsamkeit zwischen Paris und Kiev entdeckt. Soziale Spannungen unter der hübschen Fassade von Cergy, nur bemerkbar anhand des Sicherheitspersonals der ESSEC. Dieses Land scheint da in der Tat ein ordentliches Problem zu haben.

Dass der Louvre einen Besuch wert ist, habt ihr sicher gehört. Riesig, das Ding. Die Mona Lisa ist wohl das lebendigste Gemälde, das ich je gesehen habe. Guckt einem immer hinterher, verändert den Gesichtsausdruck... Trotzdem ist das ganze Aufsehen darum etwas albern. Die Venus find ich einfach langweilig. Es gibt eine ganze Menge sehr schöner Gemälde, die auch etwas Aufmerksamkeit verdienen. Ich hab dazu beigetragen.

In der Bibliothèque Historique de la Ville de Paris ist eine temporäre Ausstellung mit privaten Aufnahmen eines Pariser Fotografen, entstanden während der Besatzungszeit durch das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg. Aufnehmen durfte er nur, weil er neben seinen Privataufnahmen fleißig Bilder für ein deutsches Propagandablatt machte. Entsprechend war er alles andere als unvoreingenommen, nur auf zwei Bildern sieht man das Hakenkreuz und auch Soldaten vermied der gute Mann als Motiv. Er scheint den Betrachtern sagen zu wollen, dass es den Leuten in Paris unter den Nazis ziemlich gut ging (was ja nicht richtig ist, wie wir alle wissen). Wäre schlecht für die Propaganda gewesen, zu zeigen, wie die Franzosen unterdrückt werden. In diesem Kontext betrachtet, sind die Aufnahmen aber immer noch großartige Kunst und einen Besuch wert.

Montag, 12. Mai 2008

Der Milch neue Kleider

Heute bin ich beim Einkaufen, ohne es zu merken, schnurstracks an der Biomilch vorbeigelaufen. Als ich zurückkehrte, mich wundernd, ob der Laden nun Bioprodukte aus dem Sortiment nimmt, fand ich sie doch noch. Allerdings sah sie völlig anders aus. Ich hab sie gar nicht wiedererkannt. Seriöser, oder erwachsener. Auf jeden Fall blauer. Schick ist es ja schon, mit dieser Blattmaserung. Soll anscheinend den Eindruck erwecken, die Milch sei völlig natürlich in frischen Blättern eingepackt. Der Denkfehler dabei ist allerdings, dass Blätter ganz gewiss nicht mehr frisch sind, wenn sie schon dunkelblaue Farbe angenommen haben.

Ich vermisse allerdings die Rasenmäherkuh. Die war so herrlich gnadenlos glücklich, wie es Kühe nur nach Fütterung mit bewusstseinserweiterndem Kraftfutter sein können. Immerhin hab ich noch nen leeren Karton von früher, und ein Foto davon (siehe Oktober). Die neue glückliche alleinerziehende Kuhmutter mit Kind hat natürlich auch was für sich und sieht ebenfalls sehr froh und selbstverwirklicht aus. Nur ist eine Kuh mit Rasenmäher eben noch immer deutlich cooler als eine mit Kalb.

Wobei ich mir ein Fotoshooting mit Kuh sehr merkwürdig vorstelle. Was für ein Fotograf mag das gewesen sein? Annie Leibovitz? Wie kriegt man die Kuh dazu, ein glückliches Gesicht zu machen und das Kalb zu knuddeln? Ist es überhaupt ihr eigenes Kalb? Wie hat man gecastet? Fragen über Fragen...

Neulich bin ich über einen kleinen Plattenladen gestolpert, in der hippsten Straße der Stadt, Iso Roobertinkatu. Schon vorher war mir von einem Musiker namens Olavi Uusivirta berichtet worden, und dort fiel mein Auge dann auf eine CD von ihm, die nicht mal viel kostete, Titel "Me ei kuolla koskaan" ("Wir werden niemals sterben"). Gekauft, gehört, wunderbar. Es gibt gute finnische Musik abseits von Humppa, Tango und Metal.

Donnerstag, 8. Mai 2008

Vappu

Am 1. Mai war hier Vappu, die größte Party Helsinkis. Einmal im Jahr müssen die Finnen beweisen, dass sie feiern können, ich hatte schon große Zweifel gehegt, dass es ihnen überhaupt möglich ist. Jedenfalls waren am Tag die Straßen voll, in der Nacht die Klubs. Somit muss ich die Hoffnung auf eine Besserung dieses meist so tristen Volks doch nicht aufgeben.

Fotos fehlen mir. Der Kamera wollte ich das große Umhergeziehe im ganzen Chaos nicht zumuten. Lustig war's aber allemal, wenn auch anstrengend weil lang. Das ist der Tag im Jahr, den niemand verpassen darf, der hier ist. Eigentlich wollte ich gar nicht erst ins Bett gehen, da ich am Morgen drauf eh nen Flug nach Kiev hatte. Um 5 hab ich mich dann doch für zwei Stunden hingelegt, alleine aufzubleiben hätte nichts gebracht.

Aber der Reihe nach... zwei Wochen vorher war ich nämlich erstmal in Paris. Wieder mal ein Debattierwettbewerb, Paris IV. Eine wunderschöne Stadt. Die ich wohl etwas zu sehr genossen habe. Am zweiten Tag des Wettbewerbs war ich nämlich viel zu müde für alles und versaute es ziemlich. Andererseits... das war's mir allemal wert. Wäre doch eine Schande, in Paris zu sein und die ganze Nacht zu schlafen. Eclair habe ich natürlich auch gegessen. Warum gibt es die Dinger bloß nirgends sonst? Vermutlich, um mich davor zu bewahren, aufzugehen wie ein Hefeteig.

Weiterhin war die Metro ziemlich merkwürdig. Die hatte Gummiräder. Versteh' einer die Welt... Den Sonntag hatten wir frei, um eben solche Eigenheiten der Stadt selbst zu erkunden. Ziemlich viel rumgelaufen. Viel zu wenig gesehen von all dem, was da war. Aber schön war es. Muss ich mir mal mehr Zeit nehmen für. Das Beste, das mir dort passiert ist, enthalte ich euch derweil mal vor. Muss ja nicht alles ins Internet. Außerdem schafft das einen weiteren Anreiz, mit mir zu sprechen.

Der schönste Ort in Paris ist derweil eine protestantische Kirche mit Garten, die sich in einer kleinen Straße versteckt. Ich war gleich doppelt überrascht. Etwas Protestantisches in Frankreich? Ich hatte nicht gewusst, dass es das gibt. Und dann auch noch eine protestantische Kirche, die (trotz oder gerade wegen ihrer geringen Größe) den katholischen Ungetümern in Aussehen und Atmosphäre den Rang abläuft. Da macht jemand keine halben Sachen.

Weiterhin sah ich den Place de la Concorde, Elysée, Eiffelturm und so weiter. Auch eine diverse Meter hohe Spinne begegnete mir, die im Park herumstand. Die gleiche ist auch in London zu entdecken, auf dem Jubilee Walk. Ich frage mich, wo überall die noch sind. Wenn ich in Berlin bin, muss ich mal die Augen aufsperren. In Kiev sah ich jedenfalls keine.

Der hässlichste Ort in Paris ist derweil klar Charles de Gaulle, der Flughafen. Die Betondecken hängen auf wirklich deprimierende Art und Weise durch, auch wenn das vom Architekten vermutlich so gewollt war. Stets hatte ich das Gefühl, das ganze Ding fällt mir gleich auf den Kopf. Eine schöne Begrüßung. Kiev Borispol ist übrigens kein Stück besser. Leider sind mir die Fotos aus dessen Ankunftshalle abhanden gekommen. Oder hab ich überhaupt welche gemacht? So übernächtigt, wie ich nach Vappu war... Dafür hab ich am Tallinner Flughafen geknipst. Der gefällt mir wesentlich besser. Ist auch eher gemütlich als groß. Inklusive Lufthansamaschine im Bild. Mit Vantaa kann natürlich keiner der Flughäfen auch nur ansatzweise mithalten, aber das hab ich auch nie erwartet.

Kiev jedenfalls ist schön. Borispol muss man über sich ergehen lassen, außer der grässlichen Architektur ist da die Passkontrolle zu nennen. Da steht man ewig an, nur damit man nen Stempel in den Pass gedrückt bekommt. Wenn man ins Flugzeug will und der Metalldetektor biept, darf man es übrigens beliebig oft nochmal probieren. Mitgebrachte Fruchtsäfte übersah das ukrainische Sicherheitspersonal konsequent. Die scheinen nicht so große Angst vor Flüssigkeiten zu haben wie die EU. Sicher fühlte ich mich übrigens nicht so ganz dort.

Hat man das Theater in Borispol hinter sich, wird es jedenfalls besser. Man sollte jemanden dabeihaben, der Russisch spricht, da sich die Taxipreise sonst vervielfachen. Auch haben Taxis generell keine Sicherheitsgurte. Das macht aber nichts, denn die fahren viel schneller und unvorsichtiger als anderswo.

Billiger ist die Metro, umgerechnet ein paar Cent pro Fahrt. In jeder Stadt ist das eines der Dinge, die mich am meisten interessieren. In Kiev sehen die Wagen fast aus wie in Helsinki, nur älter. Außerdem sind die Tunnel viel tiefer. Viel, viel tiefer. Beim Bau der Metro plante man, die Dinger im Falle eines Atomkrieges als Bunker zu benutzen, wie mir erklärt wurde. Vermutlich ist das der Grund, weshalb Fotos dort verboten sind. Ich hab trotzdem welche gemacht. Wurde prompt von einer Frau abgefangen, die mir leicht erregt irgendwas erklärte. Russisch. Als ich ein paar Mal in Englisch antwortete, ließ sie mich aber wieder ziehen. Vermutlich sagte sie, ich dürfe hier keine Fotos machen. Keine Ahnung. Englisch spricht dort ja niemand. Das ist dort genauso nützlich wie in anderen Ländern Deutsch, Französisch oder Finnisch.

Überhaupt hat die Metro einen enormen Personalaufwand. Am Fuße jeder der unwahrscheinlich langen Rolltreppen sitzt jemand und guckt, dass niemand böse Dinge tut. Fotografieren zum Beispiel. Oder auf der linken Seite stehen. Der real existierende Sozialismus hatte anscheinend keine Probleme mit zu wenigen Arbeitskräften und fand immer jemanden, selbst für die ödesten und überflüssigsten Arbeiten. Dass das immer noch so aufrechterhalten wird, überraschte mich allerdings.

Über der Erde ist die Stadt reich an Grünflächen und Kultur. Überall Parks, alte Häuser, hübsche Dinge zum Angucken. So wie das Chimärenhaus, in dem früher der Staatspräsident residierte. An der Fassade finden sich viele kleine Chimären. Wer findet das Krokodil? Kleiner Tipp: Es ist nicht auf diesem Foto.

Gut und günstig essen gehen ist auch einfach. Die Stadt gefällt mir. Nur unglaublich unfreundlich sind die meisten Leute. Zu mir nicht, ich versteh ja kein Wort, aber zu meinen russischsprechenden Begleitern. Kellner vergaßen die Hälfte der Bestellung, waren unwirsch, Leute auf der Straße ignorierten Fragen nach der Richtung schlichtweg... Vermutlich hat das den selben Grund wie die Sicherheitsleute, die an jedem Unigebäude, jedem Supermarkt, jedem Restaurant rumstehen, um die Ordnung zu bewahren.

Die Mitstreiten beim Wettbewerb (ja, wieder mal einer) waren aber alle ganz lieb. Weiterhin gibt es zu berichten, dass wir bis ins Finale gekommen sind. Um keinerlei Zweifel zu lassen: Das ist eine großartige Leistung, ich bin stolz und ihr dürft mir alle gratulieren. Waren immerhin 32 Teams am Start. Gewonnen hat dann aber das aus Tallinn. War ja klar.

Nun sitze ich hier an meiner Hausarbeit, das letzte Prüfungsding hier in Helsinki. Nur noch das schaffen und alles ist hinter mir. Traurig, sniff. Von allen Leuten verabschieden. Das deprimiert mich. Zwei haben schon das Land verlassen. Nächste Woche fahre ich jedenfalls nochmal nach Paris. Das wird meine Laune aufbessern, bevor ich Helsinki endgültig verlasse.

Donnerstag, 17. April 2008

Frühling

– von wegen! Das Wochenende habe ich gut 500 km nördlich verbracht. Eine Schulfreundin meiner Mutter hat mich zu sich eingeladen, zu einem originalen Erlebnis im finnischen Wald, das man in der Hauptstadt sicherlich nicht geboten bekommt. Die Kamera hab ich leider daheim vergessen.

Einschub am Rande: OpenOffice geht mir zunehmend auf den Keks. Wenn man stilistisch äußerst wertvoll einen Gedankenstrich an den Anfang einer Zeile setzt, macht die Auto-Korrektur automatisch eine Aufzählung daraus. Das wieder wegzukriegen, ist ganz und gar nicht trivial. So wenig, dass es schneller ist, einfach alles zu löschen und nochmal zu schreiben. Wenn ich dann etwas aus dem Schreibprogramm in den Browser kopiere (fürs ins-Blog-Setzen), hab ich dann nicht einfach den Text, sondern noch jede Menge spitze Klammern mit XML drin. Ich hasse diese Dinger, die immer meinen, die Intention des Autors zu kennen, und dann daneben liegen wie ein umgefallener Baum im finnischen Wald. Nicht, dass Word besser wäre.

Aber weiter im Text: Die Zugfahrt hoch dauerte geschlagene acht Stunden, während der die Landschaft um mich immer weißer wurde. Eine gute davon bestand daraus, am Bahnhof einer für mittelfinnische Verhältnisse halbwegs großen Stadt zu warten, bevor der Zug weiterfuhr. Liegt vermutlich daran, dass die Strecken hier eingleisig sind und der Zug nicht mit einem in der entgegengesetzten Richtung zusammenstoßen wollte. Kann ich irgendwo verstehen, hätte mir auch nicht gepasst. Jetzt bin ich auf der Rückfahrt, diesmal von besagter Fasthalbwegsgroßstadt und ohne Umsteigen, nur 6 Stunden 40 Minuten. Hoffentlich ohne Rumstehen.

Weiterhin gefallen mir die Züge sehr gut. Auf der Hinfahrt hatte ich zwei Stunden InterCity. Die Züge sehen bisschen schneller aus und machen 160 km/h. Die aktuelle Geschwindigkeit kann man an kleinen Monitoren ablesen, die in jedem Abteil hängen. Komfortabel isses allemal, wackeln tuts nicht. Wenn lieb drum bittet (wie ich) kriegt man nen Platz mit Steckdose und Tisch reserviert, damit man auf der Fahrt fürs Blog schreiben kann. Die Tische sind leider sehr schmal und zu weit von den Sitzen entfernt, so dass das Tippen nicht so angenehm ist. Aber für meine Leserschaft nehme ich doch jede Strapaze auf mich!

Später stieg ich in einen sogenannten Schnellzug um. Der sieht überhaupt nicht schnell aus. Dafür war er an der gegenüberliegenden Seite desselben Bahnsteigs, so dass die fahrplanmäßige Umsteigezeit von 8 Minuten locker ausreichte. Über die tatsächliche Geschwindigkeit wird man auch nicht informiert. Die Waggons waren wohl schon ein paar Jährchen alt, aber dafür gut erhalten. Die Sitze sind breiter und komfortabler als im InterCity, und die Tische wesentlich größer und klüger platziert. Zwischenzeitlich waren auf dem Tisch drei Thinkpads und ein iPod, was keinerlei Problem darstellte. Nur die zwei Steckdosen reichten nicht, aber mit nem Akku kann man sich ja am Strom abwechseln. Ein Zugrestaurant gab es auch, da ich aber von allen Seiten davor gewarnt wurde, verzichtete ich drauf. Die Toiletten waren noch so richtig rustikal. Die Spülung war im wesentlichen ein mechanischer Hebel, der eine Klappe unten in der Kloschüssel öffnete und alles auf die Gleise beförderte. Ein Plumpsklo auf Rädern. Daneben waren dann Telefonkabinen (schalldicht, zum mit-Handy-Reingehen) und der Raucherraum. Nette Idee, aber ich konnte es jedes Mal sehr deutlich riechen, wenn jemand drinnen gewesen war.

Am Rande: Die Preise sind auch ohne Bestellung drei Monate vor der Fahrt und feste Zugbindung deutlich günstiger als die der Deutschen Bahn. Für Studenten zumindest, als solcher kriegt man nämlich 50% Ermäßigung. Eine Platzreservierung ist obligatorisch und kostenlos.

Ankommen tat ich kurz nach 10 Uhr abends, etwas früher als laut Fahrplan. VR (die finnische Bahn) kriegt das mit der Pünktlichkeit deutlich besser auf die Reihe als die DB. Mit der Freundlichkeit übrigens auch. Meine Gastgeberin holte mich vom Bahnhof ab und erzählte mir auf der Autofahrt heim ein bisschen, was es da so gab. Viel war das nicht, aber dafür war ich ja auch nicht da. Angekommen, wurde ich erstmal mit Pastasalat und Lachssuppe gefüllt. War etwas spät zum Essen, aber das war wirklich gut. Konnte ich mir nicht entgehen lassen, die Gelegenheit.

Am nächsten Tag frühstückte ich dann endlich mal wieder Puoro (Brei). Lang ist's her. Vermisse ich irgendwie, aber trotzdem bin ich immer zu faul, das selbst zu machen. Danach dann auf zum Mökki (Häuschen am See ohne Strom und Wasser, aber mit Sauna) der Nachbarn. Paar Kilometer Autofahrt und noch etwas durch den verschneiten Wald stapfen. Der See hatte eine ziemlich dicke Eisdecke. Allgemein hat mir das Wochenende den Glauben an den richtigen finnischen Winter zurückgegeben.

Der Nachbar ist ein finnisches Original. Auf einem offenen Feuer räucherte er Fisch. Mit der Motorsäge bekam die Eisdecke des Sees ein Loch verpasst, zum Abkühlen nach der Sauna. Während die Sauna aufwärmte, machten wir außerdem noch eine Einstiegsleiter in den See aus Birke. Ich verteidigte die Familienehre und nagelte das Ding zusammen. Stellte mich dabei zwar ziemlich dämlich an, aber immerhin.

In der Sauna gab es dann mehr Löyly, als ich je zuvor erlebt hatte. Überstehen tat ich es dennoch recht gut. Als ich rauskam, war mir dann so heiß, dass ich mich ins Eisloch traute. Dreimal insgesamt, nach jedem Saunagang einmal. Ein fantastisches Erlebnis, das revitalisiert wie sonst nichts in der Welt. Meine mitgebrachte Erkältung wurde auch eher besser als schlechter. Wer die Gelegenheit bekommt, sollte sie unbedingt ergreifen.

Vor der Sauna konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, nochmal ein bisschen Scheiße zu bauen. Besagter Nachbar hatte einen Motorschlitten dabei, zum Transport der Räucherausrüstung, des Essens, des Alkohols und so weiter. Zuerst durfte ich auf dem Ding mal mitfahren, es gab eine Tour über den zugeeisten See. Auf 110 beschleunigte er, hossa. Und sprang über ein Loch im Eis. Das begeisterte mich so sehr, dass ich auch ein bisschen was probieren wollte, als ich später selbst ans Steuer durfte.

Mir wurde eingeschäft, nicht schneller als 40 zu fahren, was auf so nem Dingauch genug ist. Wenn man an 130 auf der Autobahn gewöhnt ist, hört sich das wenig an, aber ohne Dach, Helm, Brille und sonstwas auf ner Eisfläche... Ich jedenfalls wollte ein bisschen sliden. Kennt man ja aus Mario Kart. Allerdings kippen die Karts dort nicht zur Seite um, bloß weil man scharf in die Kurve geht. Der Motorschlitten auch nicht, das Sliden ging gut. Dann kam ich auf die glorreiche Idee, während des Slides in die eine Richtung den Lenker umzureißen und nochmal einen zur anderen Seite dranzuhängen. Das war eine schlechte Idee. Und der Punkt, an dem das Gefährt endgültig beweisen zu wollen schien, dass es nicht von Nintendo programmiert wurde. Es kippte zur Seite und warf mich ab, ein paar Meter übers Eis. Wieder einmal bin ich dankbar für die Fallschule aus dem Kampfsporttraining.

Aber erzählt die Geschichte bloß nicht meinen Eltern! Wobei... die lesen hier ja eh mit. Dann kann ich für sie immerhin hinzufügen, dass ich unverletzt bin. Die Kurs- und Vereinsmitgliedschaftsgebühren haben sich ausgezahlt. Dem Motorschlitten hab ich bei der Aktion freilich die Plastikwindschutzscheibe zerbrochen. Ups... Der Nachbar weigerte sich aber, das von mir bezahlen zu lassen.

Am Tag drauf gab es dann nicht mehr so viel. Meine Gastgeberin zeigte mir die Skigebiete hier in der Gegend, und wir fuhren in die Stadt, aus der der Zug abfuhr. Bisschen rumlaufen und gucken, aber am Sonntag ist natürlich alles tot und zu. Immerhin zu den Burgruinen konnten wir. Schönes Städtchen jedenfalls. Sogar an der einen Disko, die es dort gibt, kamen wir vorbei. Onnela, eine Kette in Finnland. So wie fast alles zu irgendner Kette oder großen Firma gehört.

Nun ist das vorbei, ich sitze im Zug und blicke auf eins der besten Wochenenden zurück, das ich hier in Finnland hatte. Einmal ein anderes Finnland, abseits des internationalen Helsinki mit all seiner Mode, den vielen Geschäften. Das Ursprünglichere des Landes, abseits der dichter besiedelten Gegenden. Wäre doch schade, wenn ich das verpasst hätte.

Nun muss ich nur noch fünfeinhalb Stunden hier im Zug verbringen. Vielleicht lern ich was oder so. Mal gucken, wann ich diesen Eintrag hier wirklich ins Blog stelle. Hab ja grade erst was geschrieben. Vielleicht lest ihr das also erst, wenn es schon etwas zurückliegt. Ihr versteht.

Donnerstag, 3. April 2008

Hullut Päivät

... sind jetzt im größten (tollsten, schönsten, teuersten... und überhaupt!) Kaufhaus der Stadt, Stockmann. Zu deutsch: Verrückte Tage. Die Angebote sind in der Tat beachtlich, und zwar nicht auf Ramschware, sondern schöne, gute Sachen. Ich hab gleich mal mein Konto geleert. Wollte sowieso schon länger neue Sachen zum Anziehen kaufen, schreckte aber vor den Preisen zurück. Das ist ja jetzt nicht mehr das Problem. Da kommt ein ordentlicher Betrag an gespartem Geld bei rum, das ich sogleich für noch mehr Krempel ausgegeben habe. War fällig.

Voll isses dort natürlich. Das ganze Haus ist noch mehr mit Waren vollgestellt als sonst, und dazwischen drängen sich die Leute. Da spart man dann locker 50 Euro auf einmal, weil man irgendwas kauft, das man eigentlich nicht will oder braucht, das aber soooo stark reduziert ist. Konnte ich mir aber verkneifen. Kaffeemaschinen sprachen mich eh noch nie an.

Sowieso erzählte mir neulich eine Russin, in Russland seien Diesel-Sachen locker doppelt so teuer wie hier. Und hier isses schon lächerlich viel. Ich nehme Diesel immer sehr gern als Beispiel für so etwas. In meinem Verständnis ist das die Marke mit den unverschämtesten Preisen (Boss und so guck ich gar nicht erst an). Hab dennoch was gekauft. Wie gesagt: Rabatte!

Da hinter der Aktion eine kommerzielle Firma steckt, fragt man sich schon, wo die da Gewinn machen. Wenn man aber mal hinguckt, dann sind die Preise immer noch über den Herstellungskosten. Daran haben wir uns aber ja längst gewöhnt, in einer Welt, in der Turnschuhe für 5 Dollar in der Dritten Welt von Kindern zusammengenäht und uns für 100 Dollar verkauft werden. Selbst wenn man die mal ne Woche lang für 50 Dollar verkauft, bleibt Gewinn.

Weiterhin wollte ich ja von Stockholm erzählen. Wir waren vor ner Weile schon dort und haben geguckt. Die schönsten Bilder sind hier verstreut. Für jedes, das ihr findet, gibt's nen Gummipunkt! (Ihr erinnert euch: Wenn man 100 Gummipunkte hat, kriegt man so viele Waschmaschinen, wie man tragen kann.) Zu Stockholm ist zu sagen, dass es eine wunderschöne Stadt ist. Das Wetter war ausgesprochen gut, und wir erkundeten so diverse Ecken. Groß isses auch, obwohl die Einwohnerzahl recht niedrig ist für die Fläche. Dafür sind von den Einwohnern alle unglaublich freundlich und lieb. Verglichen mit Finnland, mein ich. Verglichen mit Deutschland ist der Unterschied natürlich noch viel größer.

Hin sind wir natürlich mit dem Schiff. Darum ranken sich die wildesten Gerüchte. Von Sex die Nacht durch hört man da, von jungen Leuten, die sich aufs Schiff begeben, einzig und allein, um sich volllaufen und entjungfern zu lassen. Ist aber alles falsch. Hauptsächlich waren da junge Familien und Touristen in einem Alter, in dem man keine Jungfrau mehr sein sollte. Falls da irgendwer Sex gehabt haben sollte, hat er sich gut vor uns versteckt. Wieder einer dieser Mythen, hinter denen nichts steht. Gut, bedauern tu ich es nicht wirklich, das hätte mir noch gefehlt, bei der Rückkehr in die Kabine über kopulierende, sich übergebende Teenager zu stolpern. Womöglich hätte ich mir den Kopf angeschlagen und die Reise ruiniert.

Die Metro fährt in Stockholm übrigens bis spät in die Nacht. Keinerlei Probleme, nach Hause zu kommen. Im Gegensatz zu einer anderen skandinavischen Großstadt, die namentlich nicht genannt werden möchte. Dafür sind die Preise fürs Weggehen schlicht lächerlich. Man sollte meinen, so viele Klubs und Kneipen, wie dort sind, würde es Konkurrenz und Preisdruck geben. Aber nein: Eintrittspreise von 150 Kronen und (teilweise deutlich) mehr waren die Regel. Die Schweden hat das aber nicht gestört, denn noch dazu musste man sich ewig in die Schlange stellen, bevor man das Portemonnaie leeren durfte.

Der April in Helsinki bietet übrigens nicht nur Hullut Päivät, sondern auch die Ankunft des Frühlings. Man freut sich über +5°C, Sonne und wolkenfreien Himmel. Endlich. Wurde höchste Zeit nach dem ganzen Geregne und den 2-Tages-Schneefällen, nach denen eh gleich alles wieder schmolz. Das hebt meine Laune doch ganz erheblich, und nicht einmal der Gedanke an handgearbeitete Turnschuhe kann mich runterziehen. Zumal auch sonst alles wunderbar ist: Vor zwei Tagen hab ich eine Präsentation gehalten, die recht intensiv vorzubereiten war. Das nicht mehr machen zu müssen, ist schon ein Glück. Jetzt fehlt mir nur noch eine Prüfung im Mai, um meine selbstgesteckten Studienziele hier an der Uni zu erfüllen. Freizeit! Auch sonst kann ich mich nur freuen. Der einzige Wermutstropfen ist, dass ich noch immer keinen Praktikumsplatz für den Sommer gefunden habe. Die wollen mich alle nicht. Ist aber auch nicht so schlimm. Wenn das nichts wird, reise ich halt in den Monaten durch Europa, jetzt kenn ich ja genug Leute überall.