Donnerstag, 8. Mai 2008

Vappu

Am 1. Mai war hier Vappu, die größte Party Helsinkis. Einmal im Jahr müssen die Finnen beweisen, dass sie feiern können, ich hatte schon große Zweifel gehegt, dass es ihnen überhaupt möglich ist. Jedenfalls waren am Tag die Straßen voll, in der Nacht die Klubs. Somit muss ich die Hoffnung auf eine Besserung dieses meist so tristen Volks doch nicht aufgeben.

Fotos fehlen mir. Der Kamera wollte ich das große Umhergeziehe im ganzen Chaos nicht zumuten. Lustig war's aber allemal, wenn auch anstrengend weil lang. Das ist der Tag im Jahr, den niemand verpassen darf, der hier ist. Eigentlich wollte ich gar nicht erst ins Bett gehen, da ich am Morgen drauf eh nen Flug nach Kiev hatte. Um 5 hab ich mich dann doch für zwei Stunden hingelegt, alleine aufzubleiben hätte nichts gebracht.

Aber der Reihe nach... zwei Wochen vorher war ich nämlich erstmal in Paris. Wieder mal ein Debattierwettbewerb, Paris IV. Eine wunderschöne Stadt. Die ich wohl etwas zu sehr genossen habe. Am zweiten Tag des Wettbewerbs war ich nämlich viel zu müde für alles und versaute es ziemlich. Andererseits... das war's mir allemal wert. Wäre doch eine Schande, in Paris zu sein und die ganze Nacht zu schlafen. Eclair habe ich natürlich auch gegessen. Warum gibt es die Dinger bloß nirgends sonst? Vermutlich, um mich davor zu bewahren, aufzugehen wie ein Hefeteig.

Weiterhin war die Metro ziemlich merkwürdig. Die hatte Gummiräder. Versteh' einer die Welt... Den Sonntag hatten wir frei, um eben solche Eigenheiten der Stadt selbst zu erkunden. Ziemlich viel rumgelaufen. Viel zu wenig gesehen von all dem, was da war. Aber schön war es. Muss ich mir mal mehr Zeit nehmen für. Das Beste, das mir dort passiert ist, enthalte ich euch derweil mal vor. Muss ja nicht alles ins Internet. Außerdem schafft das einen weiteren Anreiz, mit mir zu sprechen.

Der schönste Ort in Paris ist derweil eine protestantische Kirche mit Garten, die sich in einer kleinen Straße versteckt. Ich war gleich doppelt überrascht. Etwas Protestantisches in Frankreich? Ich hatte nicht gewusst, dass es das gibt. Und dann auch noch eine protestantische Kirche, die (trotz oder gerade wegen ihrer geringen Größe) den katholischen Ungetümern in Aussehen und Atmosphäre den Rang abläuft. Da macht jemand keine halben Sachen.

Weiterhin sah ich den Place de la Concorde, Elysée, Eiffelturm und so weiter. Auch eine diverse Meter hohe Spinne begegnete mir, die im Park herumstand. Die gleiche ist auch in London zu entdecken, auf dem Jubilee Walk. Ich frage mich, wo überall die noch sind. Wenn ich in Berlin bin, muss ich mal die Augen aufsperren. In Kiev sah ich jedenfalls keine.

Der hässlichste Ort in Paris ist derweil klar Charles de Gaulle, der Flughafen. Die Betondecken hängen auf wirklich deprimierende Art und Weise durch, auch wenn das vom Architekten vermutlich so gewollt war. Stets hatte ich das Gefühl, das ganze Ding fällt mir gleich auf den Kopf. Eine schöne Begrüßung. Kiev Borispol ist übrigens kein Stück besser. Leider sind mir die Fotos aus dessen Ankunftshalle abhanden gekommen. Oder hab ich überhaupt welche gemacht? So übernächtigt, wie ich nach Vappu war... Dafür hab ich am Tallinner Flughafen geknipst. Der gefällt mir wesentlich besser. Ist auch eher gemütlich als groß. Inklusive Lufthansamaschine im Bild. Mit Vantaa kann natürlich keiner der Flughäfen auch nur ansatzweise mithalten, aber das hab ich auch nie erwartet.

Kiev jedenfalls ist schön. Borispol muss man über sich ergehen lassen, außer der grässlichen Architektur ist da die Passkontrolle zu nennen. Da steht man ewig an, nur damit man nen Stempel in den Pass gedrückt bekommt. Wenn man ins Flugzeug will und der Metalldetektor biept, darf man es übrigens beliebig oft nochmal probieren. Mitgebrachte Fruchtsäfte übersah das ukrainische Sicherheitspersonal konsequent. Die scheinen nicht so große Angst vor Flüssigkeiten zu haben wie die EU. Sicher fühlte ich mich übrigens nicht so ganz dort.

Hat man das Theater in Borispol hinter sich, wird es jedenfalls besser. Man sollte jemanden dabeihaben, der Russisch spricht, da sich die Taxipreise sonst vervielfachen. Auch haben Taxis generell keine Sicherheitsgurte. Das macht aber nichts, denn die fahren viel schneller und unvorsichtiger als anderswo.

Billiger ist die Metro, umgerechnet ein paar Cent pro Fahrt. In jeder Stadt ist das eines der Dinge, die mich am meisten interessieren. In Kiev sehen die Wagen fast aus wie in Helsinki, nur älter. Außerdem sind die Tunnel viel tiefer. Viel, viel tiefer. Beim Bau der Metro plante man, die Dinger im Falle eines Atomkrieges als Bunker zu benutzen, wie mir erklärt wurde. Vermutlich ist das der Grund, weshalb Fotos dort verboten sind. Ich hab trotzdem welche gemacht. Wurde prompt von einer Frau abgefangen, die mir leicht erregt irgendwas erklärte. Russisch. Als ich ein paar Mal in Englisch antwortete, ließ sie mich aber wieder ziehen. Vermutlich sagte sie, ich dürfe hier keine Fotos machen. Keine Ahnung. Englisch spricht dort ja niemand. Das ist dort genauso nützlich wie in anderen Ländern Deutsch, Französisch oder Finnisch.

Überhaupt hat die Metro einen enormen Personalaufwand. Am Fuße jeder der unwahrscheinlich langen Rolltreppen sitzt jemand und guckt, dass niemand böse Dinge tut. Fotografieren zum Beispiel. Oder auf der linken Seite stehen. Der real existierende Sozialismus hatte anscheinend keine Probleme mit zu wenigen Arbeitskräften und fand immer jemanden, selbst für die ödesten und überflüssigsten Arbeiten. Dass das immer noch so aufrechterhalten wird, überraschte mich allerdings.

Über der Erde ist die Stadt reich an Grünflächen und Kultur. Überall Parks, alte Häuser, hübsche Dinge zum Angucken. So wie das Chimärenhaus, in dem früher der Staatspräsident residierte. An der Fassade finden sich viele kleine Chimären. Wer findet das Krokodil? Kleiner Tipp: Es ist nicht auf diesem Foto.

Gut und günstig essen gehen ist auch einfach. Die Stadt gefällt mir. Nur unglaublich unfreundlich sind die meisten Leute. Zu mir nicht, ich versteh ja kein Wort, aber zu meinen russischsprechenden Begleitern. Kellner vergaßen die Hälfte der Bestellung, waren unwirsch, Leute auf der Straße ignorierten Fragen nach der Richtung schlichtweg... Vermutlich hat das den selben Grund wie die Sicherheitsleute, die an jedem Unigebäude, jedem Supermarkt, jedem Restaurant rumstehen, um die Ordnung zu bewahren.

Die Mitstreiten beim Wettbewerb (ja, wieder mal einer) waren aber alle ganz lieb. Weiterhin gibt es zu berichten, dass wir bis ins Finale gekommen sind. Um keinerlei Zweifel zu lassen: Das ist eine großartige Leistung, ich bin stolz und ihr dürft mir alle gratulieren. Waren immerhin 32 Teams am Start. Gewonnen hat dann aber das aus Tallinn. War ja klar.

Nun sitze ich hier an meiner Hausarbeit, das letzte Prüfungsding hier in Helsinki. Nur noch das schaffen und alles ist hinter mir. Traurig, sniff. Von allen Leuten verabschieden. Das deprimiert mich. Zwei haben schon das Land verlassen. Nächste Woche fahre ich jedenfalls nochmal nach Paris. Das wird meine Laune aufbessern, bevor ich Helsinki endgültig verlasse.

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